Zypern 1963/64 und 1974/75

Der Zypern-Konflikt 1963/64 und 1974/75

Der Zypern-Konflikt 1963/64 und 1974/75

Der Zypern-Konflikt hat seine Wurzeln in den 1950er Jahren. In dieser Zeit wurden unter der mehrheitlich griechischen Inselbevölkerung die Stimmen lauter, die ein Ende der britischen Kolonialherrschaft und die „Enosis“, d.h. den Anschluss an das „Mutterland“ Griechenland, forderten. 1955 begann der bewaffnete Befreiungskampf der griechischen Zyprer. In der Folgezeit vertieften sich auch die Gräben zwischen der griechischen und türkischen Inselbevölkerung. Ein vorläufiges Ende der Auseinandersetzungen wurde 1960 mit der Unabhängigkeit Zyperns erreicht. Großbritannien, Griechenland und die Türkei erklärten sich zu Garantiemächten für die Verfassung Zyperns. 1963 machte die Regierung der Republik Zypern einen Vorschlag zur Änderung der bestehenden Entscheidungsstruktur, die den Minderheitenstatus der türkischen Zyprer stärker berücksichtigte, um eine reibungslosere Anwendung der Verfassung zu ermöglichen. Daraufhin kam es zu Unruhen. Zahlreiche türkische Zyprer siedelten sich in türkischen Enklaven an. Die Wiederaufnahme von Verhandlungen zwischen griechischen und türkischen Zyprern 1968 ließ die Menschen Hoffnung schöpfen. Doch im Juli 1974 inszenierte die Militärjunta, die in Griechenland seit 1967 an der Macht war, auf Zypern einen Putsch. Daraufhin erfolgte die Invasion türkischer Truppen. Dieser Einsatz brachte jedoch nicht die Wiederherstellung der Verfassung, sondern führte zur dauerhaften Besetzung des Nordteils der Insel. 6.000 Zyprer fanden bei Flucht und Vertreibung den Tod. 1975 kam es zu einem organisierten Bevölkerungsaustausch derer, die noch nicht geflohen waren. Insgesamt hatten etwa 159.000-200.000 griechische Zyprer den Nordteil und etwa 58.000-63.000 türkische Zyprer den Süden der Insel verlassen. Mit der durch militärische Gewalt auferlegten illegalen Aufteilung Zyperns in einen türkischen Nord- und einen griechischen Südteil, wurden Fakten geschaffen, die bis heute fortbestehen.

Die Karte zeigt die Verteilung der griechisch-zyprischen und türkisch-zyprischen Bevölkerungsgruppen auf der Insel Zypern vor 1974. Die Kennzeichnung der Bevölkerungsanteile mittels unterschiedlicher Grauwerte folgt einer Karte der Republik Zypern vom April 1995, welche die Verteilung der ethnischen Gruppen im Jahr 1960 ausweist. © Stefan Walter, Berlin, nach einer Kartenvorlage der Republik Zypern

Zypern vor 1974

Zypern hat viele Besatzer kommen und gehen sehen. Von 1570 bis 1878 gehörte die Insel zum Osmanischen Reich, danach stand sie unter britischer Herrschaft. Schon vor und verstärkt nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Ruf der griechischen Zyprer nach der „Enosis“ laut. Großbritannien ignorierte diese Forderung jedoch wegen der strategisch bedeutenden Lage der Insel. 1955 begann eine griechisch-zyprische Guerilla (EOKA) mit bewaffneten Übergriffen, die sich zunächst gegen die britische Kolonialherrschaft richteten. Türkische Nationalisten bildeten eine eigene Kampftruppe, die sich gegen die Aktivitäten der EOKA richtete; der Konflikt zwischen beiden Bevölkerungsgruppen eskalierte. Viele türkische Zyprer schlossen sich der Forderung der Türkei nach einer Teilung der Insel an. Die Unabhängigkeit Zyperns 1960 war ein Kompromiss, ausgehandelt von Großbritannien, Griechenland und der Türkei. Die Verfassung bemühte sich um die Wahrung der Rechte beider Bevölkerungsgruppen, institutionalisierte aber die Trennung zwischen griechischen und türkischen Zyprern. Sie gewährte zudem der zahlenmäßig deutlich kleineren Bevölkerungsgruppe der türkischen Zyprer einen überproportionalen Einfluss auf Entscheidungen. Als 1963 die Verfassung geändert werden sollte, brach ein Bürgerkrieg aus, den erst eine UN-Friedenstruppe beendete.

Invasion und Bevölkerungsaustausch 1974/75

Eine Folge des Bürgerkriegs von 1963/64 war die Entstehung türkisch-zyprischer Enklaven, die aufgrund eines Wirtschaftsboykotts der griechischen Zyprer auf Hilfsleistungen aus der Türkei angewiesen waren. Die Situation besserte sich, als beide Seiten 1968 nach der Aufhebung des Boykotts wieder Verhandlungen aufnahmen. Zudem hatten sich die griechischen Zyprer, allen voran ihr Präsident Makarios, vom „Mutterland“ Griechenland distanziert, seit dort eine Militärjunta 1967 die Macht übernommen hatte. Doch dies war nicht im Sinne des Athener Obristenregimes. Am 15.7.1974 putschten die auf Zypern stationierten griechischen Truppen gegen Makarios. Die Garantiemacht Türkei griff daraufhin am 20.7.1974 mit einer modern ausgerüsteten Armee ein und besetzte zunächst die Nordküste. Nach dem Scheitern der 2. Genfer Konferenz am 14.8. stieß die türkische Armee erneut vor und besetzte etwa 37 Prozent Zyperns. Für viele der aus dem Norden flüchtenden griechischen Zyprer gab es im Winter 1974/75 im Süden der Insel keinen Wohnraum; sie mussten in Zelten überwintern. Wer noch nicht während der Kriegshandlungen geflohen war, wurde 1975 umgesiedelt.

Folgen der Teilung Zyperns

Seit dem Krieg 1974 wachen UN-Friedenstruppen über die Einhaltung der Waffenruhe. Sie richteten eine entmilitarisierte Pufferzone ein, die sich seither quer über die Insel zieht. 1975 wurde in Übertretung des internationalen Rechts der „Türkische Bundesstaat Zypern“, seit 1983 „Türkische Republik Nordzypern“, ausgerufen, der nur von der Türkei, nicht aber von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannt worden ist. 1960 entstand nach internationalem Recht die Republik Zypern, welche bis heute die einzig international anerkannte Vertretung der Insel ist. Seit der Invasion kam es im Norden Zyperns zu umfangreichen Plünderungen historischer Stätten der Jahrtausende alten zyprischen Kultur. Viele griechische und türkische Zyprer sind emigriert, vor allem nach Großbritannien. Bis 1996 sind aus der Türkei 109.000-117.000 türkische Neusiedler nach Nordzypern eingewandert. Die Frage, was mit ihnen im Falle einer Wiedervereinigung geschehen solle, gehört zu den zentralen Punkten aller Verhandlungen europäischer und internationaler Gremien. Im April 2004 lehnte die Mehrheit der griechischen Zyprer einen nach dem UN-Generalsekretär Kofi Annan benannten Plan ab, da sie ihre Rechte nicht ausreichend berücksichtigt sahen. Doch die Demarkationslinie ist seit April 2003 mit gewissen Einschränkungen seitens des türkischen Militärs offen. Seit dem 1.5.2004 ist die Republik Zypern Mitglied der Europäischen Union.