Polen, Ukrainer und das Baltikum

Zwangsumsiedlungen, Vertreibungen und Deportationen der Polen, der Ukrainer und im Baltikum 1939–1949

Zwangsumsiedlungen, Vertreibungen und Deportationen der Polen, der Ukrainer und im Baltikum 1939–1949

Im geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Pakts vom 23.8.1939 beschlossen die Diktatoren die Aufteilung Polens zwischen der Sowjetunion und dem Deutschen Reich. Das deutsch besetzte Gebiet wurde in die Reichsgaue Danzig-Westpreußen und Wartheland sowie das „Generalgouvernement“ unterteilt. Aus Danzig-Westpreußen, dem Wartheland, aus Oberschlesien, dem Bezirk Zichenau (Ciechanów) und dem Kreis Sudauen (Suwalki) wurden insgesamt etwa 840.000 Polen vertrieben oder deportiert, davon etwa 70.000-80.000 polnische Juden, die in Ghettos und später in Konzentrationslager verbracht wurden. Zwei Millionen polnische Zwangsarbeiter wurden ins Reich verschleppt. Von der Vertreibung waren die Angehörigen der polnischen Eliten besonders stark betroffen. Viele wurden unmittelbar nach dem Einmarsch der Deutschen ermordet.
Die Westverschiebung Polens 1944/1945 führte zur Umsiedlung von etwa 1,2 Millionen Polen aus den von der Sowjetunion annektierten polnischen Ostgebieten (Galizien, Wolhynien, Weißrussland, Litauen) nach Polen sowie zur Vertreibung von rund 480.000 Ukrainern aus Polen in die Sowjetunion bis zum Sommer 1946. In der so genannten Aktion Weichsel erfolgte 1947 die Umsiedlung von 140.575 Ukrainern innerhalb Polens.
Im August 1941 wurden Litauen, Lettland und Estland in die Sowjetunion eingegliedert. Viele Bewohner wurden nach Sibirien verschleppt, gefoltert und getötet. Die Gesamtzahl der Opfer der ersten sowjetischen Besatzung zwischen Juni 1940 und Juni 1941 beläuft sich wahrscheinlich auf etwa 170.000. Eine zweite Massendeportation durch die Sowjetarmee folgte 1945, eine dritte 1949.

Vertreibungen und Zwangsumsiedlungen in Polen und in der Ukraine 1939-1947. © Stefan Walter, Berlin

Der Hitler-Stalin-Pakt 1939

Der am 23.8.1939 geschlossene Deutsch-Sowjetische Nichtangriffspakt besiegelte das Schicksal Polens und der baltischen Staaten. In seinem geheimen Zusatzprotokoll wurde Ostmitteleuropa in eine deutsche und eine sowjetische Interessenssphäre geteilt. Der Teil Polens westlich vom Bug fiel an Deutschland, Ostpolen, das Baltikum und Bessarabien an die Sowjetunion. Dieser von Hitler nur als kurzfristiges Arrangement gedachte Vertrag gab ihm freie Hand für den Überfall auf Polen am 1.9.1939. Hierfür war die „Danzigfrage“ – die Forderung, den Freistaat Danzig dem Deutschen Reich anzugliedern – nur der Vorwand. Schon im Mai hatte Hitler erklärt: „Danzig ist nicht das Objekt, um das es geht. Es handelt sich für uns um die Erweiterung des Lebensraumes im Osten.“ Parallel zum deutschen Vormarsch begann am 17.9. die Besetzung der Ostgebiete Polens durch die Rote Armee. Damit war die im Hitler-Stalin-Pakt vereinbarte Teilung Polens erfolgt. Die von der Wehrmacht besetzten Gebiete wurden wiederum geteilt. Der westliche Teil wurde von Deutschland annektiert, der Rest zum „Generalgouvernement“ erklärt, das unter die Terrorherrschaft von SS, SD und Gestapo fiel. Am 28.9.1939 konstituierte sich die polnische Exilregierung.

Vertreibung der Polen aus den von Deutschland annektierten Gebieten

In den von Deutschland annektierten Teilen Polens und in Danzig lebten 9,2 Millionen Polen, 653.000 Deutsche und 582.000 Juden. Das Generalgouvernement zählte etwa 10,6 Millionen polnische und jüdische Einwohner. SS-Chef Himmler betrieb als „Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums“ die ethnische Trennung der Bevölkerungsgruppen und die Germanisierung jener Teile der Mischbevölkerung, die den NS-Rassekriterien entsprachen. Die polnische Intelligenz sollte vernichtet und die übrigen Polen auf der Stufe eines unfreien, aber in der Kriegswirtschaft verwendbaren „Hilfsvolkes“ ohne politisches Eigenleben gehalten werden. Langfristig sollten die Gebiete vollständig germanisiert werden. Dazu wurden etwa 840.000 Polen zwangsweise innerhalb der annektierten Gebiete umgesiedelt oder in das Generalgouvernement deportiert. Etwa zwei Millionen polnische Zwangsarbeiter wurden ins Reich verschleppt. An deren Stelle wurden „Volksdeutsche“ aus dem Baltikum, aus Wolhynien, Galizien, den Karpaten, aus Siebenbürgen, Bessarabien, der Bukowina, der Dobrudscha und der Gottschee angesiedelt. Entsprechend der NS-Ideologie sollten sie als „Wehrbauern“ das „Deutschtum im Osten“ festigen.

Experimentierfeld der SS: Der Musterbezirk Zamosc

Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 plante das NS-Regime, die deutsche Siedlungsgrenze noch weiter nach Osten hinauszuschieben. Auch das bislang polnische Generalgouvernement sollte germanisiert, die Polen von dort vertrieben werden. Als Versuchsfeld für den von den Planungsfachleuten der SS unter Leitung des Agrar- und Raumwissenschaftlers Konrad Meyer ausgearbeiteten „Generalplan Ost“ diente der landwirtschaftlich ertragreiche Musterbezirk Zamosc südlich von Lublin. Nach der Ermordung der dortigen Juden erfolgte die Vertreibung von etwa 110.000 Polen von ihren Höfen. Sie wurden entweder zur Zwangsarbeit nach Deutschland geschickt oder in das KZ Auschwitz deportiert. Alte Menschen wurden von ihren arbeitsfähigen Verwandten getrennt und in „Rentendörfer“ abgeschoben, wo sie der Hungertod erwartete. An Stelle der Vertriebenen wurden deutsche Bauern aus Bessarabien und anderen Teilen Rumäniens angesiedelt, darunter auch die Eltern von Bundespräsident Köhler. Die Aktion musste im Sommer 1943 abgebrochen werden, da die deutschen Siedler zunehmenden Angriffen des polnischen Untergrunds ausgesetzt waren. Im Frühjahr 1944 wurden Frauen und Kinder, im Juli 1944 wurden die Männer im Landkreis vor der Roten Armee evakuiert.

Die Westverschiebung Polens

Gemäß dem Hitler-Stalin-Pakt besetzte die Rote Armee Ostpolen ab dem 17.9.1939. Die Gebiete wurden der UdSSR einverleibt. Stalin hielt auch während des Deutsch-Sowjetischen Krieges am Ziel fest, diese Gebiete für die Sowjetunion zu sichern. Von 1939 bis 1941 wurden etwa 300.000 Polen nach Sibirien deportiert, ebenso zahlreiche Ukrainer. Eine unbekannte Zahl von Polen flüchtete ins deutsch beherrschte Generalgouvernement, ebenso einige tausend Ukrainer aus der sowjetisch besetzten Westukraine. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion 1941 ließ Stalin die deutsche Bevölkerung wie die Wolgadeutschen nach Kasachstan deportieren. Andere Völker wie die Tschetschenen, Inguschen, Kalmücken und Krim-Tataren wurden 1944 deportiert. Auf den Kriegskonferenzen 1943 in Teheran und 1945 in Jalta billigten die Westalliierten die Westverschiebung Polens auf Kosten Deutschlands. Da in den neuen Grenzen keine nationalen Minderheiten leben sollten, bedeutete dies den Heimatverlust von vielen Millionen Deutschen, Polen und Ukrainern. Die polnische Exilregierung in London hatte früh Gebietsforderungen im Westen erhoben, verweigerte aber die Abtretung Ostpolens. Erst die von Stalin im Juli 1944 eingesetzte kommunistische Führung Polens erfüllte die Moskauer Vorgaben.

Bevölkerungsaustausch zwischen UDSSR und Polen und die „Aktion Weichsel“

Am 16.8.1945 unterzeichneten die Führungen Polens und der UdSSR einen Grenzvertrag, der die Westverschiebung Polens und den gegenseitigen Bevölkerungsaustausch regelte. Bis Ende 1948 verloren 1.200.000 Polen aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten ihre Heimat. Mit dem Propagandabegriff „Repatriierung“ versuchte die polnische Regierung zu vertuschen, dass die Polen in den von Stalin annektierten Gebiete zwangsausgesiedelt wurden. Viele dieser Menschen fanden in Pommern, Schlesien und im südlichen Ostpreußen ein neues Zuhause. Bis Mitte 1946 wurden etwa 482.000 Ukrainer aus Polen in die Ukraine abgeschoben. Für manche ging die Reise unmittelbar weiter nach Sibirien. Angesichts der Befürchtungen über die Verhältnisse in der stalinistischen Sowjetunion sträubten sich viele, Polen zu verlassen. Daher wies Moskau die Warschauer Führung an, die verbliebenen Ukrainer in entlegene Landesteile zu zerstreuen. Im Sommer 1947 wurden in der „Aktion Weichsel“ 140.575 Ukrainer in die Oder-Neiße-Gebiete gebracht und dort verstreut angesiedelt – oft nur eine Familie pro Dorf. Ihre früheren Höfe wurden enteignet, Familiennamen polonisiert, der Gebrauch der ukrainischen Sprache und die Ausübung des griechisch-katholischen Gottesdienstes untersagt.

Gemeinsamer Text zu den Bildern:
Zdzislaw Patrylak (1928-1999) wurde als Ukrainer im April 1946 mit seinen Eltern aus Polen in die Ukrainische Sowjetrepublik zwangsumgesiedelt. Er stammte aus dem Dorf Nagórzany im Gebiet Sanok. In dem Dorf lebten vor der Umsiedlung 70 polnische und sechs ukrainische Familien. Im Juni 1946 traf die Familie in der neuen Heimat ein, dem Dorf Hayi-Rostotski im Gebiet Ternopil. Dort bekam sie das Haus eines Polen, der 1944 von Ukrainern umgebracht worden war. In der Ukraine ließ sich Zdzislaw Patrylak mit seinem zweiten Vornamen „Michal“ rufen, weil es „Zdzislaw“ im Ukrainischen nicht gibt.

Vertreibungen in der Ukraine während des Zweiten Weltkrieges

Die Ukrainer, die einen unabhängigen Nationalstaat anstrebten, sahen sich darin von Russen und Polen gleichermaßen behindert. Nach dem Ersten Weltkrieg fiel die östliche Ukraine an die UdSSR, die westliche an Polen. Ab 1939 weitete sich der stalinistische Terror, der in den 1930er Jahren mit Millionen von Hungertoten in der sowjetischen Ukraine gewütet hatte, auf die Westukraine aus. Daher begrüßten 1941 viele Ukrainer zunächst den deutschen Einmarsch. Doch die NS-Führung hatte kein Interesse an einer selbständigen Ukraine. Sie sah in ihr nur ein weiteres Ausbeutungsgebiet für Arbeitskräfte, landwirtschaftliche und industrielle Produkte. Auf Grund der Kämpfe an der Ostfront entglitt der Wehrmacht die Kontrolle über das ukrainische Hinterland. In der Westukraine (Wolhynien, Ostgalizien) begannen 1943 ukrainische Partisanen (UPA), polnische Dörfer zu überfallen und die Bevölkerung zu ermorden. Dahinter stand die Absicht, die Polen aus dem Gebiet des erstrebten künftigen ukrainischen Staates zu vertreiben. Etwa 100 000 Polen wurden ermordet, etwa 300 000 flohen in die Städte oder in das Generalgouvernement. Polnische Partisanen übten Rache und töteten bis zu 20.000 Ukrainer.

Die Deportationen und Vertreibungen der Esten, Letten und Litauer 1941-1949

Der Hitler-Stalin-Pakt vom 23.8.1939 erklärte die baltischen Staaten zur sowjetischen Interessenssphäre. Im Juni 1940 besetzten sowjetische Truppen das Baltikum und verhafteten Hunderttausende von Mitgliedern von bis dahin bestehenden Parteien, Offiziere, Geschäftsleute und Grundbesitzer. Im Juli 1941 setzten Massendeportationen in sibirische Lager ein, aus Estland etwa 11.000, aus Lettland etwa 16.000 und aus Litauen etwa 21.000 Bewohner. Infolge des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion am 22.6.1941 fand die sowjetische Besetzung der baltischen Staaten ein vorläufiges Ende, wurde aber durch die deutsche ersetzt. Die Generalbezirke Estland, Lettland, Litauen und Weißrussland bildeten nun das „Reichskommissariat Ostland“. Die Hoffnung der baltischen Staaten, von den deutschen Besatzern Unterstützung auf dem Weg in die Unabhängigkeit zu finden, wurde bald enttäuscht. Die Rote Armee durchbrach 1944 die deutschen Verteidigungsstellungen in Estland, Lettland und Litauen, was eine Massenflucht der Balten nach Deutschland, Schweden und Nordamerika auslöste (80.000 Esten, 120.000 Letten und 66.000 Litauer). Im März 1949 kam es abermals zu Massendeportationen nach Sibirien, mit denen die sowjetischen Behörden auf die aus ihrer Sicht unzureichende Kollektivierung und auf die Partisanenbewegung reagierten. Der Widerstand der „Waldbrüder“ dauerte dennoch bis in die 1950er Jahre.

Die drei Wellen der Flucht und Deportation von Esten, Letten und Litauern 1940-1949. © Stefan Walter, Berlin

Die Umsiedlung der Deutschbalten und Litauendeutschen 1935-1941

Zwischen 1939 und 1941 wurden Deutschbalten und Litauendeutsche aus Estland, Lettland und Litauen umgesiedelt. © Stefan Walter, Berlin

Dem deutsch-sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag vom 28.9.1939 folgte am 6.10.1939 eine Rede Hitlers im Reichstag, in der er deutlich machte, dass er eine „neue Ordnung der ethnographischen Verhältnisse“ anstrebe. Sein Ziel war, alle Deutschen außerhalb des Reiches und der besetzten Gebiete, die er von der „Entgermanisierung“ bedroht sah, in das deutsche Herrschaftsgebiet zu übersiedeln. Das bedeutete den Heimatverlust für etwa 82.000 Deutschbalten aus Estland und Lettland. Die später mit dem Paradoxon „Diktierte Option“ bezeichnete Umsiedlung traf die Deutschbalten völlig unvorbereitet. Insgesamt wurden von Oktober 1939 bis Dezember 1939 etwa 51.000 Deutsche aus Lettland und 14.000 aus Estland in das besetzte Polen, vorwiegend nach Westpreußen und in den Warthegau, umgesiedelt. Unter erschwerten Umständen wurden noch1940/41 „Nachumsiedler“ im so genannten Altreich aufgenommen, wo sie den Flüchtlingsstatus erhielten. Die Deutschbalten, die 1939 die Umsiedlung größtenteils selbst organisierten hatten, durften ihre bewegliche Habe mitnehmen. Sie wurden aus der estnischen oder lettischen Staatsbürgerschaft förmlich entlassen und in das Deutsche Reich eingebürgert. Die Litauendeutschen wurden erst im Januar 1941 umgesiedelt – im Gegenzug zur Aussiedlung von Litauern, Russen und Weißrussen aus dem Memel- und Suwalki-Gebiet. Nach der deutschen Besetzung Litauens kam es zu einer großangelegten Rücksiedlungsaktion von 20.000 Deutschen, die als Vorboten einer Kolonisation galten.

Ansiedlung der Deutschbalten im besetzten Polen

Die über die Ostsee transportierten deutschbaltischen Umsiedler wurden nach mehrwöchigem Zwischenaufenthalt in Auffanglagern und Privatquartieren in Pommern auf die neuen Reichsgaue Wartheland und Danzig-Westpreußen verteilt. Die Familien wurden in die Wohnungen, Stadthäuser, Gutshöfe und landwirtschaftlichen Betriebe der nur wenige Tage, manchmal nur Stunden zuvor vertriebenen Polen einquartiert. Das Deutsche Reich war bestrebt, den Umsiedlern vergleichbare Existenzbedingungen wie in der alten Heimat zu bieten. Der enteignete polnische Besitz wurde ihnen in treuhänderische Verwaltung gegeben. Meist wurde dieser erst vor Ort erkannte Umstand mit Entsetzen, Beklommenheit und Scham wahrgenommen, die zu beziehenden Unterkünfte wurden als gestohlen oder geraubt empfunden. Manche wollten die zugewiesenen Höfe nicht übernehmen. Doch das gleichzeitige Erleben von Krieg und Heimatverlust sowie ein notwendiger Pragmatismus für den Aufbau einer neuen Existenz ließ diese Erkenntnis bald in den Hintergrund treten. Im Januar 1945, kurz vor Kriegsende, schlossen sich die Deutschbalten der allgemeinen Flucht vor der Roten Armee an.

Deportation der Deutschen innerhalb der Sowjetunion

Dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22.6.1941 folgte in der UdSSR die Deportation der deutschen Minderheiten. Zehn Wochen nach Kriegsbeginn erließ der Oberste Sowjet ein Dekret, das sich offiziell nur auf die Wolgadeutschen bezog. Es wurde aber auf alle Deutschen im europäischen Teil des Landes ausgedehnt. In der Ostukraine und auf der Krim begannen die Deportationen schon im Juli 1941. Innerhalb weniger Stunden mussten die Russlanddeutschen ihre Wohnungen verlassen. Nach wochenlanger Fahrt in Güterwagen gelangten sie an ihre Verbannungsorte in Sibirien, Kasachstan und Mittelasien. Männer zwischen 15 und 60 und Frauen ohne Kinder kamen in die so genannte „Trudarmija“ (Arbeitsarmee). Ein Drittel überlebte Transport und Arbeitslager nicht. Die deutsche Sprache war bis in die 1950er Jahre verboten. Den Kindern war der Schulbesuch untersagt und die Teilnahme am Gottesdienst wurde den Deportierten verwehrt. Noch heute leben Deportierte und ihre Nachkommen in den Deportations- gebieten, sofern ihnen nach dem Ende des Kalten Krieges eine Ausreise nach Deutschland nicht möglich war.

Zwangsumsiedlungen der Deutschen aus Südosteuropa

In der Phase deutsch-sowjetischer Verständigungspolitik von 1939-1941 wurden großangelegte Umsiedlungsaktionen deutscher Minderheiten aus dem Bereich der sowjetischen Interessenssphäre durchgeführt. Die NS-Führung, die deutsche Splittergruppen vor dem Krieg zum Verharren in ihrer Heimat aufgefordert hatte, änderte ihre Bevölkerungspolitik mit Kriegsbeginn diametral. Vorrangiges Ziel war es nun, den deutschen Bevölkerungsanteil in den annektierten Gebieten Polens zu erhöhen. Außerdem benötigte sie die männliche Bevölkerung zum Kriegsdienst. Die NS-Parole „Heim ins Reich“ suggerierte den Betroffenen, sie würden eine neue Heimat in Deutschland finden. Nicht nur Balten- und Wolhyniendeutsche wurden zwangsumgesiedelt, sondern auch Deutsche aus Teilen Rumäniens, auf die die UdSSR und Bulgarien Anspruch erhoben.

Die Sowjetunion annektierte 1940 Bessarabien und die Nord-Bukowina, die Nord-Dobrudscha fiel im selben Jahr an Bulgarien. Die Umsiedler wurden in Sammeltransporten die Donau aufwärts verschifft. Einige dieser Dampfer transportierten abwechselnd aus Mitteleuropa flüchtende Juden stromabwärts und Deutsche stromaufwärts. Viele Umsiedler lebten monatelang in Lagern, um danach in den von Deutschland annektierten Gebieten Polens angesiedelt zu werden. Das NS-Propagandaministerium entsandte Fotojournalisten („Bildberichterstatter“), um die Aktionen zu dokumentieren. Die Fotos sollten die angeblich umsichtige Planung und Durchführung der Transporte illustrieren. Die Betroffenen selbst erlebten sie jedoch oft als überstürzt, chaotisch und deprimierend.

Zwangsumsiedlungen von deutschen Minderheiten ab 1939. Die Aktion „Heim ins Reich. © Stefan Walter, Berlin
Zwangsumsiedlung
Zwangsumsiedlung Umsiedler aus Bessarabien, Oktober 1940. bpk, Berlin