Juden in Deutschland ab 1933

Die Vertreibung der Juden in Deutschland ab 1933: der Beginn des Holocaust

Die Vertreibung der Juden in Deutschland ab 1933: der Beginn des Holocaust

Die Vernichtung der Juden in Deutschland und in den von Deutschland besetzten Ländern zwischen 1933 und 1945 begann schleichend mit der Verdrängung der Juden aus ihren Wohnungen, Arbeitsstellen und aus dem öffentlichen Leben, aus Städten, Regionen und Staaten. Es folgten Verhaftungen und Drangsalierungen, schließlich die Abschiebung und Deportation in Ghettos und Lager. Dieser Prozess mündete in die systematische Vernichtung – den Holocaust. In der Durchdringung von rassistischer Ideologie, wirtschafts- sowie militärpolitischem Kalkül und fabrikmäßigem Morden erhielt die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung einen in der Geschichte singulären Charakter. Anfang 1933 lebten in Deutschland etwa 500.000 Juden, ein Drittel davon in Berlin. Insgesamt betrug ihr Anteil an der deutschen Bevölkerung weniger als ein Prozent. Die Weimarer Verfassung garantierte Juden und Nichtjuden gleiche Rechte. Dies endete schlagartig mit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten am 30.1.1933. Ein radikaler Antisemitismus prägte von Anbeginn das Programm der NSDAP. Die Nationalsozialisten diffamierten die Juden als „rassisch minderwertige Untermenschen“. Für Missstände jeglicher Art musste das Feindbild „Jude“ herhalten. Ziel der Nationalsozialisten war es, die deutsche Gesellschaft von „jüdischen Elementen“ zu „reinigen“. Die planmäßige Verfolgung der Juden begann am 1.4.1933 mit dem vom NS-Regime organisierten Boykott jüdischer Geschäfte. Am 7.4.1933 folgte das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“: Jüdische Beamte wurden mit wenigen Ausnahmen aus dem Staatsdienst entlassen.

Die Karte zeigt Europa in den Grenzen von 1937 mit der weitesten Ausdehnung des Deutschen Reiches im Winter 1941/42. Die Angaben der jüdischen Bevölkerungszahlen in den europäischen Ländern im Jahr 1933 stammen vom United States Holocaust Memorial in Washington, die Zahlen der jüdischen Todesopfer in den einzelnen Ländern vom Ort der Information des Denkmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin. Nach 1933 reisten zahlreiche Menschen aus dem Deutschen Reich und den besetzten Gebieten aus, flohen in noch nicht okkupierte Länder oder wurden ab 1939 in die östlichen besetzten Gebiete deportiert. In Polen war daher die Zahl der Opfer höher als die der ursprünglichen jüdischen Bevölkerung. © Stefan Walter, Berlin

Die Germanisierungspolitik der Nationalsozialisten

Die „Nürnberger Gesetze“ vom September 1935 legten juristisch die Trennung von Juden und Nichtjuden fest. Juden wurden von der „Reichsbürgerschaft“ ausgeschlossen. Der rassistische Gesetzestext sprach von „deutschem“ und „jüdischem Blut“. Eheschließungen zwischen Juden und Nichtjuden wurden verboten.
Bereits 1933 begann der Prozess der systematischen Ausschaltung der Juden aus der deutschen Wirtschaft durch Berufsverbote und den Raub ihres Vermögens, u. a. durch die „Arisierung“ jüdischer Geschäfte. Sich steigernde Zwangsmaßnahmen erhöhten permanent den Druck auf die jüdische Bevölkerung, Deutschland zu verlassen. Doch emigrationswillige deutsche Juden wurden durch die so genannte „Reichsfluchtsteuer“ faktisch mittellos ins Ausland abgeschoben. Bis November 1938 waren etwa 180.000 deutsche Juden zwangsweise emigriert. 17.000 ausländische Juden, die in Deutschland lebten, wurden rigoros über die Grenzen, vor allem nach Polen, abgeschoben. Nach dem Schock des Novemberpogroms 1938 gelang es bis zum Kriegsbeginn 1939 noch weiteren 80.000 deutschen Juden, Deutschland zu verlassen.

Vertreibung der Juden aus dem öffentlichen Leben

Antisemitische Plakate hetzten unübersehbar im Straßenbild und beschuldigten die Juden lange vor Kriegsbeginn, einen „zweiten Weltkrieg entfachen“ zu wollen. Seit 1938 wurden Juden gezwungen, zusätzlich die Vornamen „Sara“ und „Israel“ zu tragen. Ihre Ausweise wurden mit einem „J“ gekennzeichnet. In der Pogromnacht vom 9.11.1938 wurden in ganz Deutschland Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Friedhöfe geschändet und jüdische Geschäfte zerstört. Zahlreiche Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt, andere ermordet. Die deutsche Bevölkerung, soweit sie nicht beteiligt war, sah fast ohne Ausnahme tatenlos zu. Nachdem Deutschland am 1.9.1939 den Krieg begonnen hatte, wurden die noch in Deutschland lebenden Juden ihrer letzten Rechte beraubt. Seit dem 19.9.1941 waren sie durch den gelben „Judenstern“ stigmatisiert. Von der nichtjüdischen Bevölkerung isoliert, öffentlich schikaniert, ihres Vermögens beraubt, aus ihren Wohnungen vertrieben und in so genannten „Judenhäusern“ zusammengepfercht, wagten die meisten sich kaum mehr auf die Straße. Die Ausgehzeiten für Juden waren streng reglementiert. In Berlin wurden Juden auch auf Grund der von Albert Speer geleiteten Neugestaltung der Reichshauptstadt aus ihren Wohnungen vertrieben.

Von der Vertreibung zur Vernichtung

Unmittelbar nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1.9.1939 begann die NS-Führung, Ghettos für die polnischen Juden einzurichten. Im Herbst 1939 wurde ein Stadtteil von Warschau zum Auffanglager für die vertriebenen Juden aus den deutsch besetzten Gebieten Polens erklärt. 1941 radikalisierte sich die NS-Rassenpolitik von der Konzentration zur Vernichtung der Juden.
Den Beschluss zur systematischen Ermordung aller Juden im deutschen Herrschaftsbereich fasste die deutsche Führung wahrscheinlich im Sommer 1941, etwa zeitgleich mit dem Angriff auf die Sowjetunion. Auf der so genannten Wannseekonferenz am 20.1.1942 ging es nur noch um die technische Durchführung des millionenfachen Mordes. Bereits Ende 1941 begann im KZ Auschwitz die fabrikmäßige Ermordung der Juden durch Gas.
Die Darstellung der Ermordung der europäischen Juden ist nicht Thema dieser Ausstellung. Die Ausstellung zeigt vielmehr den schrittweisen Prozess der Vertreibung bis zum Holocaust.